Die Vergangenheit ist ein gefährliches Land by Carofiglio Gianrico

Die Vergangenheit ist ein gefährliches Land by Carofiglio Gianrico

Autor:Carofiglio, Gianrico [Carofiglio, Gianrico]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2015-11-29T16:00:00+00:00


Fünfzehn

Ein paar Tage später, an dem von Avvocato Gino angegebenen Datum, gingen wir zur Bank, um den Scheck einzulösen und die Summe zu teilen. Wie immer.

Der Kassierer machte die üblichen Kontrollen und sagte dann, es tue ihm leid, aber das Konto sei im Minus und der Scheck folglich nicht gedeckt. Das war uns noch nie passiert, und ich fühlte mich unsinnigerweise wie auf frischer Tat ertappt. Ich dachte, dass der Kassierer mich fragen würde, wie ich an diesen Scheck gekommen sei, dass er mich mit weiteren Fragen bedrängen, meinen schuldbewussten Gesichtsausdruck bemerken und mich überführen würde. Es war einige sehr lange Sekunden still. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, und wäre am liebsten einfach nicht da gewesen, wie auch immer ich dort hingekommen war.

Dann hörte ich Francescos Stimme, der direkt hinter mir stand. Er bat den Kassierer, uns den Scheck zurückzugeben, weil es ganz offensichtlich ein Missverständnis mit dem Kunden gegeben habe. Er sagte es wörtlich so: »Es muss ein Missverständnis mit dem Kunden gegeben haben.« So etwas käme vor. Wir würden das Problem selbst lösen, es sei nicht nötig, den formalen Weg zu gehen, den Kontoinhaber zur Rechenschaft zu ziehen oder Ähnliches. Danke, und einen schönen Tag noch.

Einen Augenblick später waren wir draußen vor der Bank, in der Gluthitze des apulischen Sommers.

»Dieses Arschloch. Ich hätte es wissen müssen.« Zum ersten Mal, seit ich ihn kannte, schien Francesco wütend zu sein. Richtig wütend.

»Es ist meine Schuld. Man sollte nicht in Spielhöllen spielen, und man sollte nicht mit denen spielen.«

»Mit denen?«

»Drogenabhängigen, Verrückten, Spielsüchtigen. Wie diesem Typ.« In Francescos Worten lagen Brutalität und Verachtung. Aus irgendeinem Grund erschien mir das normal, auch wenn ich nicht verstand, warum.

»Hast du gesehen, wie der gespielt hat?« Er machte eine Pause, aber nicht, um meine Antwort abzuwarten. Und ich sagte auch nichts.

»Leute wie der spielen, wie andere Heroin nehmen. Sie sind abhängig. Und du kannst ihnen nicht trauen, genau wie bei anderen Süchtigen. Sie bestehlen Vater und Mutter und ihre Ehefrau. Sie bestehlen die eigenen Kinder, um noch einmal an einem grünen Tisch sitzen zu können. Sie leihen sich Geld bei ihren Freunden und zahlen es dann nie zurück. Sie denken, sie wüssten, wie man spielt, und wenn du sie reden hörst, könntest du meinen, sie wüssten eine todsichere wissenschaftliche Methode, um immer zu gewinnen. Wenn sie sich dann an den Tisch setzen, spielen sie wie die Verrückten. Und wenn sie verlieren, wollen sie sofort weiterspielen. Sie wollen immer mehr. Sie müssen spielen, weil sie nur dann das Gefühl haben, lebendig zu sein. Abschaum. Alles Abschaum. Es gibt keine unzuverlässigeren Leute als die. Und ich habe mich mit einem von denen an denselben Tisch gesetzt, obwohl ich es wusste. Ich bin selber schuld.«

Francesco redete weiter, aber ich hörte irgendwann nicht mehr richtig zu. Seine Stimme wurde zum Hintergrundgeräusch, während ich den Grund für seine Wut zu spüren glaubte. Für einen Augenblick, oder auch etwas länger, kam es mir vor, als erschlösse sich mir der tiefere Sinn dessen, was er sagte.

Dann verflüchtigte sich dieses Gefühl wieder genauso schnell, wie es gekommen war.



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